Darf ein Gemisch strenger eingestuft werden als nötig?

Die Einstufung von Gemischen ist ein komplexes Thema, dem wir schon einige Blog-Beiträge gewidmet haben. So können Sie beispielsweise im Beitrag von letzter Woche nachlesen, ob die Gemisch-Einstufung etwas über die Konzentrationsangaben im Sicherheitsdatenblatt (SDB) aussagt. In meinem heutigen Beitrag möchte ich darauf eingehen, ob ein Gemisch rechtlich gesehen strenger eingestuft werden darf als nötig.

Warum sollte man überhaupt strenger einstufen?

Diese Frage drängt sich förmlich auf, deswegen möchte ich damit beginnen. Ein Grund kann beispielsweise sein, dass Sie ein Gemisch herstellen, in dem ein Inhaltsstoff als entzündbarer Feststoff (Flam. Sol. 1) eingestuft ist.

Um herauszufinden, ob Ihr Gemisch ebenfalls als entzündbarer Feststoff eingestuft werden muss, müssten Sie Messungen am Gemisch durchführen. Alternativ könnten Sie auch das Gemisch aufgrund der Information über den Inhaltsstoff in Flam. Sol. 1 einstufen. Dies spart Ihnen Arbeit und natürlich auch Geld, falls Sie ein externes Prüflabor beauftragen. Die rechtliche Grundlage für die Einstufung von Gemischen findet sich in der CLP-Verordnung [1]. Dort gibt es keinen direkten Hinweis darauf, dass so ein Vorgehen nicht erlaubt ist.

Die Wahl der persönlichen Schutzausrüstung

Je nach Gefährdung durch einen Gefahrstoff leiten sich bestimmte Maßnahmen ab, die im Umgang mit Ihrem Gefahrstoff zu beachten sind. Verkaufen Sie also oben genanntes Beispielgemisch ohne die Einstufung in Flam. Sol. 1 ergeben sich schwächere Maßnahmen. Mit einer Einstufung in Flam. Sol. 1 kann die Handhabung wesentlich strengere Maßnahmen erfordern. Dies beeinflusst direkt auch die Wahl der Persönlichen Schutzausrüstung (PSA). Es ist wenig verwunderlich, dass es eine eigene rechtliche Grundlage für die PSA gibt – die sogenannte PSA-Benutzungsverordnung [2].

Hier ist klar vorgegeben, dass die PSA Schutz gegenüber der Gefährdung bieten muss, dafür ist sie schließlich da. Das Ganze darf jedoch nicht zu einer höheren Gefährdung durch die Verwendung der PSA führen.

So kann der Unterschied zwischen Hautreizung und Hautätzung dazu führen, dass Handschuhe getragen werden müssen. Bei der Benutzung von Geräten mit Rotor bieten Handschuhe jedoch eine sehr hohe Gefährdung. Es kann dazu kommen, dass die Finger durch den Handschuh um den Rotor gewickelt werden, wenn man in die Nähe(!) des Rotorstabs kommt. Dieses Risiko besteht nicht, wenn ohne Handschuhe gearbeitet wird.

Folgen der strengeren Einstufung

Die CLP-Verordnung verbietet eine strengere Einstufung also nicht grundsätzlich, die PSA-Benutzungsverordnung grenzt den möglichen Rahmen jedoch ein. Die Entscheidung, dass ein Gemisch strenger eingestuft wird als rechnerisch nötig sollte in jedem Fall gut bedacht sein. Zudem gibt es neben der PSA natürlich auch noch weitere Auswirkungen, die die Einstufung nach sich zieht. So kann ein Unterschied in der Einstufung beispielsweise auch eine Änderung in Lagerklasse, Brandschutz, oder Gefahrgut-Klassifizierung nach sich ziehen.

Quellen:

[1]        Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (engl. CLP Regulation), konsolidierte Fassung REACH-CLP-Biozid-Helpdesk (DE), Stand 10.05.2021

[2]        PSA-Benutzungsverordnung, Stand 04.12.1996

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Hannah Kraft

Chemikerin M.Sc. bei GeSi Software GmbH

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